TAUPERLITZ – Dieser Satz legt nahe, an Idylle, Geruhsamkeit und Freude über freie Bewegung zu denken. Was sich dahinter verbirgt – vor allem in Verbindung mit dem Namen dieser Stadt in der heutigen Tschechischen Republik – weiß der Kundige: ein Lager, das Ausgangspunkt war für die Deportation nach Auschwitz, in das Todeslager, und zugleich ein Vorzeigelager, das der kritischen Weltöffentlichkeit vorgaukeln sollte, wie angenehm dort das Leben für Juden sei.
Diese Zwiespältigkeit legt ein Gedicht und Lied offen, das eine kreative, kultivierte künstlerische anerkannte und dabei menschlich – mitleidsvolle Frau verfasst hat: Ilse Weber, geb. Herlinger.
Ihrem Gedenken widmete in Tauperlitz der Kulturverein in Zusammenarbeit mit der Musikschule im Landkreis Hof einen Abend. In bekannter und angenehm erinnerter Art sollte es einem Dreiklang geben von Wort, Musik und Kulinarik, will heißen: Lesungen zum Leben der Ilse Weber, ihren Gedichten und Briefen, Lieder und Kletzmermusik für Saxophon und Klavier und Beispiele aus der jüdischen Küche.
Die Rolle des Sprechers teilten sich Gudrun Spatschek, Organisatorin und Redakteurin des Abends, mit ihrem Ehemann und Eva Gräbner, die auch für den Pianopart verantwortlich zeichnete. Sie begleitete sowohl die Sängerin Zene Kruzikaite als auch Marek Olszowka, der den Klarinettenton einfühlsam und technisch brillant auf das Altsaxofon übertrug.
Der im Programm zweigeteilte Abend vermittelte neben dem Anfangseindruck aus dem Lied „Dona, Dona“ – Es reflektiert im Jiddischen den Antagonismus zwischen dem unfreien, gefesselten Kälbchen, das zum Schlachter gefahren wird, und der freien, in ihrer eigenen Richtung fliegenden Schwalbe, daneben der mitleidlose zynische Bauer.
Skizzenhaft erschienen der Lebenslauf der Autorin Ilse Herlinger in ihrer Verbindung zu internationalen Freunden, die allmählich sich verdichtende Ausgrenzung der inzwischen verheirateten Ilse Weber, Flucht aus der mährischen Heimat ins vermeintlich anonymen Schutz bietende Prag, die Deportation nach Theresienstadt, das Lagerleben und den Weg in den Tod nach Auschwitz, wo sie im Oktober 1944 mit den ihr anvertrauten Kindern und ihrem Sohn in der Gaskammer ermordet wurde.
Nach einer Pause, in der die Gäste sich am Beispiel aus der jüdischen Küche delektierten, die auch die regionale Vielfalt andeutete, standen Lieder und Gedichte aus der Feder der Dichterin im Mittelpunkt, Erzeugnisse einer Frau, die eine erste Karriere als erfolgreiche Rundfunkautorin abbrechen musste und die eine neue, eindrucksvolle schlichte und dadurch treffende und anrührende Sprache fand. Damit teilt sie die Erlebniswelt der ihr in der Kinderkrankenstation anvertrauten Kleinen.
Zene Kruzikaite fand dazu in den Liedvorträgen den passenden Ton, zurückhaltend, vorgeblich distanzierte Schlichtheit, in der parallel zu den anscheinend einfachen Worten der Zuhörer aufgefordert war, selbsttätig einzudringen in die Sinn – und Aussagestruktur.
Die Sprache der Gedichte und Liedtexte ist betont einfach, man könnte sagen: kindgerecht. Doch das, was sie ausdrückt, lässt den Hörer die ganze Grausamkeit spüren, die in der verlogenen Idylle wirkt. Sei es das Abendgebet eines Kindes oder die Beschreibung des Hinscheidens eines kleinen Patienten – man ist ergriffen ob der Intensität des Mitleidens, das von einem warmherzigen großen Charakter zeugt. Wie diese Charaktergröße auch im Alltag sich bewähren muss, erkennen wir aus der Zurechtweisung eines Kindes durch die Mutter, als es stolz einen Arm voll Feuerholz erbeutet hat. So groß ist die Gewissenskraft derer, denen die Peiniger alles in großer Menge geraubt haben.
Daher ist es nicht verwunderlich, dass das Publikum durch die Darbietungen angerührt und nachdenklich es als richtig empfand, diese Thematik in der Jahreszeit anzusprechen, in der das Totengedenken und die Erinnerung an die, die uns vorausgegangen sind, gepflegt wird.